Ein Freund keuchte oft ins Telefon, wenn er nach dem 5 Klingeln endlich am Apparat war SORRY- ICH WAR IM WESTFLÜGEL – das dauert, bis ich zum Telefon gerannt bin. Was folgte, war ein herzhafter Lacher – kannte ich doch seine Wohnsituation.
Heutzutage trägt man das Mobiltelefon ständig mit sich herum und kein Anrufer errät, wo sich der Gesprächspartner gerade befindet, während man telefonierend die Behausung durchschreitet.
Viel Platz zum Wohnen ist herrlich – dachten sich schon Königs und Grafs von und zu Tralala, wenn sie sich Schlösser, Burgen und Herrschaftshäuser erbauen liessen. Vor allem Platz für’s Personal war vonnöten, dienstbare Geister brauchte man für jeden Handgriff. Heute räumt man seinen Dreck meist selbst weg. Auch sonst wohnt man anders. Praktischer, leichter beheizbarer, nachhaltiger und umweltschonend passiv. Mancher liebt seinen Altbau mit Viermeterraumhöhen, mancher eher das quadratisch-praktische Wohnen im Neubau, andere wiederum schwören auf das Eigenheim als Ganzes mit Garten und Auslauf für Kind und Hund.
Vor allem beim Zusammenleben stellt sich die Frage: Wieviel Raum braucht der Mensch zum Leben? Platz ist zwar bekanntlich in der kleinsten Hütte und wenn man jung ist (und vielleicht noch verliebt dazu) lebt man gern auf kleinstem Raum und ernährt sich ausschließlich von Luft und Liebe. Wird man älter, folgt die Erkenntnis, dass es sich auf mehr Quadratmetern recht komfortabel lebt. Auch Ehepaare gehen sich ganz gern mal aus dem Weg. Oft werden ehemalige Kinderzimmer dann zu Räumen, in denen Hobbies ausgelebt werden oder man sich einzeln zurückziehen kann. Bei Schnarchnasen gibt es sogar getrennte Schlafräume wegen nächtlicher Lärmbelästigung. Ich mag es, wenn jeder in einer fixen Gemeinschaft seinen eigenen Rückzugsort hat. Dort kann er lesen, die Wände bemalen, wie es ihm gefällt, sich in Dekorationen austoben und ganz er selbst sein.
Viel Wohnraum gibt sprichwörtlich viel Raum zum Wohnen und Leben. Wenn der Blick dann auch noch über unverstellte Flächen schweifen kann, ist das grandios - die Seele atmet auf. Meine zumindest. Ich habe viele Jahre in Internatszimmern und Studentenwohnheimen mit 3-5 Mitbewohnerinnen auf 12-20qm und Stockbetten gewohnt, später auch gelegentlich in WGartigen Gemeinschaftsbehausungen.
Irgendwann hatte ich genug davon. Ich bin ein Wohnmensch, der zwar gern andere um sich hat – glücklich bin ich aber vor allem beim Wohnen allein. Nicht, weil ich rücksichtslos wäre gegenüber Mitbewohnern oder menschenscheu. Nein, ich genieße einfach meinen Wohnkosmos. Der hat sich über Jahre entwickelt und ist mir wichtiger als irgendwelcher Konsum. Ich habe zig Umzüge gemeistert, unzählige Quadratmeter eigenhändig renoviert von Fußböden schleifen, Belag verlegen, Wände spachteln und malen, Küchen selbst bauen, Lampen montieren, Eiskästen anschließen bis hin zum Bepflanzen der Freiräume. Und viel gelernt – natürlich auch aus Fehlern.
Irgendwann wusste ich genau, wie ich leben will. Mies van der Rohe und die Bauhausmeister haben Wohnräume gestaltet, denen ich schon in frühester Jugend verfallen bin- Weimar und Dessau waren ja sehr nah. Die Villa Tugendhat ist für mich ein Stück großartiger Baukultur – innen und außen. Zum Glück gibt es auch hierzulande tolle Architekten, die schon vor über 20 Jahren superschöne Behausungen gebaut haben mit Bauherren, denen Details wichtig waren. Ich danke vor allem dem Zufall, der mich in ein solches Gebäude gebracht hat.
Wenn ich vom Süd- in den Westflügel gehe, die Sonne scheint und der blaue Himmel zum Greifen nah ist, weiß ich: UND ALLES WIRD GUTh!