„Ich wohne nun völlig im Garten, eine vortreffliche Wohnung für ein ruhiges Gewissen“. Das ist nicht von mir, sondern von Georg Christoph Lichtenberg. Aber sobald der Frühling in Sicht ist, muss ich hinaus. Da ist man keine 12 mehr und auch die 40 liegt schon zurück und trotzdem ist der Frühling immer wieder eine Art Wunder. Im Winter lärmen die Krähen mit ihren heiseren Konversationen, die sich immer nach Streit anhören. Wenn aber im Frühling die Amsel zwitschert, klingt das gleich wie Sonne und frisches Grün. Das Leben erwacht. Die Frühjahrsmüdigkeit schlägt zu. Licht. Endlich wieder Sonnenlicht. Und länger als 3 Stunden. Ganze Zwölfmalsechzigminuten beglückt sie uns schon – wir schrauben demnächst wieder die Sommerzeit auf unsere Uhren – wenn das nicht automatisch passiert. Hach. Das erste Grün schält sich aus den Knospen. Ich hoffe in jedem Frühjahr, dass es bitte alle Pflanzen auf meiner Terrasse geschafft haben, unbeschadet über den Winter zu kommen. Und dann mischt sich zur Freude natürlich auch eine Art Arbeitseifer – vor den Fenstern Ordnung zu machen. Zwischen den Bodenplatten sprießt das Unkraut. Ach was heißt sprießen – es wuchert förmlich. Das muß schleunigst weg. Dank des milden Winters hat es die Kälte nicht in die ewigen Jagdgründe geschickt. Da muß ich wohl selbst ran. Überhaupt – man kümmert sich auch von höheren Stelle gerade sehr um die grünen Daumen dieser Welt. Alles, was Gärtnerei, Einrichtungsspezialist und Baumarkt heißt, erklärt gerade vollmundig, was denn jetzt zu tun sei und bietet gleich das volle Programm an. Für Erde, gute Pflanzgefäße und vorgezogene Gemüse- oder Blumensetzlinge bin ich sehr dankbar und eine muntere Einkäuferin. Das mit der Deko wird jedoch meist überbewertet. Jössas, was da alles in die überdimensional großen Einkaufswagen gelangt, ist teilweise atemberaubend. Da die Industrie weiß, was sie ihren Kunden nach dem langen tristen und fiftyshadesofgrey- Winter schuldig ist, dominieren sogenannte Pastellfarben mit Signaleffekt. Manche Onlinehändler haben eine ganz eigene Masche gefunden, um Kunden – na ja- eher die Kundinnen zu ködern. Da gibt es Outdoorfeeling im Scandi Style, man verspricht beim Kauf von verschnörkelten Sesseln ein Gefühl von First Lady Living in den eigenen vier Outdoor-Wänden oder setzt auf Boboloft und Hamptons-Upperclass-Understatement. Wenn der Schmäh rennt, schlägt man auch das eigenwilligste Produkt erfolgreich los. Koste es was es wolle. Postboten schwitzen dann bei der Lieferung, die Heckklappe vom Kombi lässt sich nur noch mit Gewalt schließen und allerorten wird die Wohnumgebung neu gestaltet. Es sprießt, man sitzt nicht nur im Schanigarten, sondern betätigt sich auch körperlich an der frischen Luft. Ist ja gesund – hat schon die Oma gesagt- und die mußte es wissen. Die männlichen Mitbewohner beteiligen sich eventuell an der Grobarbeit – Dekoration ist Frauensache – und werfen später den Grill an. Feuermachen ist schließlich Männersache! Man wähnt sich schon mitten im Mai. Das mit den Frühlingsgefühlen greift rasant um sich – wenn der Grill glüht, der Prosecco schmeckt und sich die Gemüter erhitzen. In der Dämmerung zwitschert später die Amsel wieder ihr Lied – beglückt stellt man auch in diesem Frühjahr fest: UND ALLES WIRD GUTh.