Mit 110 Tonnen zum Silberlöffel - in der Werkstatt von Jarosinski & Vaugoin

Zugegeben, ich liebe Handwerk und Werkstätten, die eine Patina haben, Geschichten erzählen können. Im WIEN PRODUCTS Stadtplan „Qualität ist ein Spaziergang“ finde ich Jarosinski & Vaugoin - DIE Silberschmiede und mache mich neugierig auf den Weg in den 7. Bezirk, wo sich in der Zieglergasse 24 Geschäft und Werkstatt befinden.

Ich läute an der dunkelgrünen Tür und betrete das Geschäft. Jean Paul Vaugoin, der die familieneigene Silberschmiede bereits seit 14 Jahren führt, empfängt mich und wir kommen schnell ins Gespräch. Bei diesem Handwerk stellt man sich ja oft eher ältere Menschen als Chef vor – der Mann, der mir gegenübersteht ist 35 Jahre alt und bereits ein alter Hase, was die Erfahrung angeht.

Sein Part liegt neben Geschäftsführung und Produktentwicklung vorrangig  im Verkauf der edlen Produkte, die in den schwarzen Auslagen um uns herum verführerisch funkeln.

Es ist vor allem Hohlware – wie man Tauf- und Trinkbecher, Krüge, Kannen und Schüsseln nennt – die sofort ins Auge stechen. Von Barock über Rokoko bis hin zu absolut zeitgenössischen Designs ist alles vertreten. Dazu kommen noch 200 verschiedene Besteckformen aller Epochen....

Ich will wissen, welche Kunden hier einkaufen – in Zeiten von Coffee to go und Wegwerfgeschirr, das zu Fast Food gereicht wird, mutet die Produktqualität fast überirdisch luxuriös an und ist dabei auch ein echter Augenschmaus.

Jean Paul Vaugoin lacht und erzählt mir von Menschen, die ihr Familiensilber hüten und weitergeben – natürlich übernimmt die Werkstatt Reparaturen, Reinigung und Neuversilberungen. Kürzlich hat man für einen Kunden aus der Schweiz sogar fehlende Teile eines Bestecks nachgebaut. Dem Kunden war es einfach wichtig, ein vollständiges Besteck zu besitzen. Das ist individuelles Kundenservice, wie man es nicht allzu oft findet. Immerhin müssen für jedes Teil Formen angefertigt werden. Teilweise reisen die Kunden von sehr weit an, um sich ihr eigenes Besteck anfertigen zu lassen oder aber aus dem reichen Formenschatz bei den Vaugoins das passende Besteck auszusuchen. Klassiker wie Spaten oder Eselsrücken findet man von einigen Herstellern in Europa – die besondere Stärke bei Jarosinski & Vaugoin liegt in reich verzierten Bestecken – eine absolute Nische im Silberbusiness, die man gut zu nutzen weiß.

Direkt hinter dem Geschäft liegt die Werkstatt auf zwei Ebenen – die Arbeitsgeräusche dringen zu uns und ich will unbedingt sehen, wie so ein Besteckteil entsteht. Wir durchqueren einen Raum, in dem einige Damen die Ware sorgfältig mit weißen Handschuhen für den Verkauf und Versand vorbereiten und stehen mitten in der Produktion. Hier wird gefeilt und gehämmert – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit 110 Tonnen geht hier ein Hammer nieder, der die Grundformen der Besteckteile in Silberbleche presst. Überhaupt spielen Hammer und Amboss eine große Rolle bei der Herstellung von sogenannter Flachware – im Englischen heißt Besteck ja auch Flatware.... Die Rohform enthält überstehendes Material, das grob abgeschliffen wird. Die Schleifscheibe befindet sich in einem Kasten mit Abdeckung, damit das überschüssige Silber aufgefangen werden kann. Es glitzert wie Feenstaub und wird später wieder eingeschmolzen – man geht sehr sorgsam mit Ressourcen um.

Von Hand werden die Teile weiter gefeilt und schließlich in die richtige Form gebracht – jedes Teil hat seinen eigenen Schwung – die Kupfer- oder Messingmuster sind maßgebend für das Endergebnis. Man nutzt hierfür Bleiunterlagen, da das Material weicher ist als Silber und das Werkstück nicht beschädigt wird, wenn das Ganze mit dem Holzhammer bearbeitet wird.

 Neben viel Fingerspitzengefühl braucht es Schlagfertigkeit – vor allem, wenn es um Löffel oder Schöpfer geht. Der Meister grinst verschmitzt und meint – man sollte sich mit dem Kollegen gut verstehen, wenn die sogenannte Laffe geschlagen wird.... Jetzt verstehe ich auch, warum... Ein Silberschmied hält vor dem Amboss sitzend mit einer Hand den Löffel am Stiel in die entsprechende Unterform und mit der zweiten Hand die Oberform aus schwersem Eisen für die Laffe.  Der Rest ist Präzision und Gefühl für das Material, wenn der zweite Mann mit einem gewaltigen Hammer auf die Form schlägt und so dem Löffel seine endgültige Form gibt. Sehr beeindruckend ist das – vor allem, wenn man sich vorstellt, dass für ein Besteck 12 absolut idente Löffel hergestellt werden müssen....

Im ersten Stock werden alle Silberteile poliert und nehmen ein Galvanicbad für den besonderen Glanz.

Was mich noch interessiert, ist der Umgang mit modernem Design. Auch da ist man bei Jarosinski & Vaugoin am Puls der Zeit und arbeitet mit internationalen Größen zusammen. Neben Designs von Sebastian Menschhorn und Thomas Feichtner wurden auch von dem in London lebende Torsten Nehland moderne Entwürfe umgesetzt, aktuell plant man  ein Projekt mit Martin Mostböck.

Die Silberschmiede, die heuer ihr 170jähriges Bestehen feiert, ist eine der wenigen in Österreich und Europa, in der Handarbeit, Individualität und höchste Qualität absolute Priorität haben. Die vielfältige Produktauswahl präsentiert man als WIEN PRODUCTS Mitglied erfolgreich auf Messen im In- und Ausland.

Ich bin sicher, für das nächste Hochzeits- oder Taufgeschenk komme ich wieder in die Zieglergasse – die Qualität ist diesen Spaziergang absolut wert.

Dieser Blogbeitrag entstand im Auftrag der WIEN PRODUCTS. www.wienproducts.at