Postkarten

In Zeiten des schnellen Überfliegens, Bilderschauens und hastigen Wischens ist es schon fast ein Wunder, Handgeschriebenes im Postkasten zu finden. Freimütigst bekenne ich mich zur analogen Lesesucht. Ich brauche meine Zeitung in der Früh - auf Papier. Ich liebe Magazine und gut gemachte Journale, die sorgfältig recherchierte Themen anbieten. Gern auch mit Bildern. Brand Eins zum Beispiel ist meine monatliche Dosis Wirtschaft in angenehmer Leseform. Seitenspiegel, Schrift, der Kontrast unschlagbarer Genuss.  Das alles kann man im Sekundentakt auch digital haben - beruflich nutze ich das eh und gehe auch immer besser damit um.

Privat jedoch mag ich das Analoge, Langsame. Die Haptik von Papier, dessen Geruch und das Gefühl, Seiten umzublättern, ein Lesebändchen zwischen die zuletzt gelesenen Kapitel zu spannen- unschlagbare emotionale Momente - abgesehen vom Inhalt der Bücher.  Nicht nur beim Lesen, sondern auch beim Schreiben genieße ich  Papierqualität und Motorik, die es braucht, um Seiten zu füllen. Gedanken fließen praktisch ohne Umwege auf das Papier. Außerdem bleiben die Hirnhälften aktiv und die schreibende Hand in Schwung. Persönliche Botschaften schreibe ich am liebsten per Hand. Denen, die es zu schätzen wissen. Klar, ein WhatsApp , eine SMS oder eine mail sind schneller am Ziel und ja, auch die können nette Inhalte haben. Wirklich persönlich ist es aber von Hand geschrieben.

Deshalb wünsche ich mir auch meist Postkarten von denen, die auf Reisen gehen. Oft trudeln die erst ein, wenn die Reisenden längst wieder daheim sind, die Urlaubsbräune bereits wieder schwindet  und die digitalen Fotos eh schon auf allen sozialen Kanälen gepostet wurden. Dann öffne ich den Briefkasten und fische eine Postkarte hervor. Mit Grüßen von nahen und fernen Orten. Ich stelle mir dann immer vor, wie die Postkarte gereist ist. Erst im Postauto vom Briefkasten zum Postamt, dann weiter mit dem Zug - oder gar per Flugzeug...wieder ein Postauto, Kilometer Sortieranlagen und zu guter Letzt im Wagerl vom Postboten, der inzwischen fast ausschließlich Überbringer von Rechnungen und Werbung ist - was ihn nicht wirklich glücklich machen kann....

Egal, eines Tages also halte ich die weit gereiste Karte in Händen und freue mich über die spezielle Botschaft. NIMM DAS! schreibt zum Beispiel meine Lieblingsnachbarin aus Venedig auf eine sagenhaft schöne Postkarte. Wenn diese dann an einem trüben Novembertag bei mir eintrudelt und ich den Duft der weiten Welt spüre, weiß ich: UND ALLES WIRD GUTh!