Tortenposten, Schneebälle und ‚Fürst Rehrücken’ – beim k.u.k. Hofzuckerbäcker Demel

„Haben schon gewählt?“ – nur hier hört man diese Frage in Wien, die scheinbar aus einem anderen Jahrhundert stammt. Irgendwie stimmt das auch – die Demelinerinnen sind seit mehr als 100 Jahren die guten Geister vom K.u.K. Hofzuckerbäcker Demel. 

 Ich bin neugierig, was es sonst noch zu entdecken gibt in einer Konditorei, die schon beim Kaiser beliebt war und verabrede mich mit Petra Gold – der Marketingchefin direkt am Kohlmarkt. An einem Herbsttag um 10 Uhr geht es zwar schon geschäftig zu, man bekommt aber einen Platz und gleich darauf einen Kaffee im Demel, der heuer 130 Jahre an der Adresse Kohlmarkt 14 residiert – die Adresse fand ich im schwarz/weißen WIEN PRODUCTS Stadtplan.

Petra Gold ist eine Frau der Gegenwart – sie liebt die Tradition, wie sie mir gleich zu Beginn unseres Gesprächs verrät – trotzdem geht man auch hier mit der Zeit. „Modernes Marketing funktioniert heute vorwiegend über Social Media und ins Ausland versenden wir natürlich über unseren Onlineshop“ erzählt sie – da braucht es auch junge und moderne Menschen – die zeitgemäß das Zuckerbäckerhandwerk vermitteln. Es scheint perfekt zu funktionieren, denn gerade kommt wieder eine Gruppe junger Touristinnen mit Rollkoffern zur Tür herein und bleibt andächtig vor der großen Vitrine stehen. Hier im Geschäft werden täglich 1.750 Stück Torten und Kuchen verkauft höre ich. 

Wow, das ist eine ganze Menge – wie viele verschiedene Sorten werden denn eigentlich gebacken und von wem? „In der Demel Backstube am Kohlmarkt arbeiten derzeit 25 Zuckerbäcker, die täglich um die 27 verschiedenen frischen Torten zaubern, wobei die beliebtesten die Anna Demel Torte , Fragilité, Schaumrollen, Punschkrapfen, Dobostorte , Apfelstrudel & Milchrahmstrudel, Fächertorte , sowie der Potizzenstollen sind. 

 Das ist eine ganze Menge denke ich – da zählt Petra Gold schon weiter auf -  dass außerdem Schokolade, Pralinen und bis zu 40 Sorten Teegebäck auf der to-do Liste der Zuckerbäcker stehen. Wobei – der Name Teegebäck kann nicht im Entferntesten die Kunstwerke beschreiben, die ich da präsentiert bekomme und deren Namen sich wie ein Märchen anhören... 

Vanillekipferl , Mailänder , Nougatschifferl , Ischler , Marillenkipferl , Butterbrote , Himbeerschüsserl seien die Ganzjahres-Klassiker – zu Weihnachten kommen noch mal 30 spezielle Sorten extra dazu. Jetzt wundert mich natürlich nicht, wieso im Advent die Kunden bis auf die Straße Schlange stehen und geduldig darauf warten, ihre Lieblingskekserl zu kaufen. Von Windgebäck über kunstvoll dekorierte Pfefferkuchen bis hin zu himmlischen Schokoladenkreationen – es scheint ein Schlaraffenland zu sein. 

Wie schafft man es denn, so viel zu produzieren frage ich mich – denn neben Süßem gibt es auch noch Herzhaftes und warme Küche. 

 Na ja, es gibt in der Backstube natürlich verschiedene Posten, jeder hat bestimmte Aufgaben. 

Posten?

Strudelposten, Teegebäckposten, Tortenposten, Dekorposten und Eisposten – um einige zu nennen. Der Eisposten ist nur im Sommer besetzt – Veilchen- und Punschkrapfeneis sind beliebte Sorten. 

 Aha – was macht denn ein Dekorposten zum Beispiel interessiert mich. 

Beim Demel werden natürlich auch Sonderwünsche erfüllt – zu Hochzeiten, Taufen oder Geburtstagen produziert man individuell – da kann eine Torte schon mal mehrere Etagen haben und aufwändig dekoriert sein. Eine Herausforderung für die Zuckerbäcker – die man sich immer irgendwie als ältere Männer vorstellt – womit man komplett falsch liegt. Beim Demel arbeiten nämlich ziemlich viele junge Zuckerbäckerinnen die ihr Handwerk bestens beherrschen und ihrer Phantasie hier freien Lauf lassen können. Das sieht man auch immer wieder an den Schaufenstern, die traditionell ein Hingucker am Kohlmarkt sind und 5-6 mal pro Jahr neu gestaltet werden. 

Entstanden ist diese Tradition durch den Künstler Federico Berczewiczy Pallavicini, der mit Klara Demel - Nichte von Anna Demel - verheiratet war und begann, die Schaufenster besonders zu gestalten. 

Fürst Rehrücken entsprang zum Beispiel seiner Phantasie; die von ihm entworfenen Verpackungen werden bis heute genutzt. Geschichte und G’schichterln gäbe es viele über den Demel zu erzählen....  

 Was die Zutaten angeht, die man zum Kuchenbacken benötigt – hält man sich beim Demel nicht nur an Eier und Schmalz, Butter und Salz, Milch und Mehl oder Safran, der den Kuchen ‚gehl’ macht – ein Einkaufszettel für ein Jahr würde ungefähr Folgendes enthalten: 800.000 Eier, 20 Tonnen Butter, 50.000 Liter  Milch, 25.000 Liter Obers, 30 Tonnen Mehl, 1,6 Tonnen Haselnüsse, 1,9 Tonnen Walnüsse, 2,5 Tonnen Mandeln, 1,8 Tonnen Rohmarzipan,80 Tonnen Äpfel, 40 Tonnen Schokolade und  5 Tonnen Marmelade. 

 Wow, unglaublich. 

Unglaublich ist auch das Geschick, mit dem die Zuckerbäcker ans Werk gehen. Man kann sie durch eine Scheibe im hinteren Teil des Demel beobachten. 

„Wir sind glücklich, so engagierte MitarbeiterInnen zu haben, die ihre Arbeit mit Passion und Liebe zum Detail erledigen – nicht nur die Zutaten, auch die Handarbeit machen unsere Qualität aus“, bestätigt mir Petra Gold.  

 Gerade jetzt, wo es auf Weihnachten zugeht, stapeln sich die Bestellungen – der DEMEL versendet monatlich zwischen 500 und 1000 Sendungen in die weite Welt. 

 Gibt es denn Sachen, die irgendwann aus dem Sortiment genommen werden – frage ich abschließend. Das sei gar nicht so einfach, erfahre ich – „unsere Kunden lieben zum Beispiel den Schneeball, ein doch ziemlich fettreiches Gebäck, dass kugelrund geformt, ausgebacken und mit Staubzucker bestreut wird. Den gibt es schon ewig und wird immer wieder verlangt – der muß im Sortiment bleiben – egal wie viele Kalorien er hat!“. 

 Ich verabschiede mich, verlasse den Demel und bestaune die Auslagen. ‚Fürst Rehrücken’ zwinkert mir zu. Die Qualität vom Demel ist unbedingt einen Spaziergang zum Kohlmarkt wert!