Spaziert man durch die Schottenfeldgase im siebenten Bezirk, geben die Schilder an den Hauseingängen mit ein wenig Glück Geheimnisse preis. Auf Nummer 69 liest man: „Etui u. Kassetten Friedrich Fialka Fabrikstrakt.“
Hier bin ich richtig. Einige Tage vorher hatte ich mich mit Herrn Fialka für einen Besuch in der Werkstatt verabredet – ich will wissen, wie die Etuis der Firma, die es seit 1923 gibt, hergestellt werden. Im Hinterhaus befindet sich im ersten Stock die Werkstatt, in der ich freundlich vom Chef persönlich begrüßt werde. Er ist praktisch der letzte seines Berufsstandes in Wien und Galanterietischler sowie eine Art Buchbinder in Personalunion, wie er mir erklärt.
Wir stehen in der Schreinerei, in der das Grundgerüst aller Etuis entsteht und ich erfahre, dass es viel Handarbeit braucht, bis das Ganze weiter verarbeitet werden kann. Hier wird zugeschnitten, werden Verzahnungen ineinander gesteckt, verklebt und viel mit Schleifpapier von Hand gearbeitet, bis die Oberfläche perfekt für den Überzug ist.
Dabei gibt es natürlich unterschiedliche Qualitäten und Erwartungen an das Endprodukt – verdeckte Scharniere oder solche, die man sehen kann, Leder oder Leinen – Sperrholz oder solches aus Nuss. Die Möglichkeiten sind vielfältig – die Ansprüche der Kunden sehr unterschiedlich – wie ich höre. Kaum einer kann sich vorstellen, wie lange es braucht, bis ein Etui für einen Orden fertig ist. Da genügt nicht einfach eine hübsche Schachtel – nein – es braucht auch ein maßgefertigtes Innenleben, damit die Auszeichnung perfekt präsentiert werden kann und passgenau zu liegen kommt...
Auch edler Schmuck verlangt ein adäquates Behältnis – gerade arbeitet Herr Fialka an einem besonderen Objekt aus Nussbaumholz, das innen mit Rehleder ausgekleidet wurde und verschiedene Fächer für Uhren und Schmuck hat. Sauber und akkurat wurden hier besondere Materialien verarbeitet – mehrere offene Kassetten stapeln sich übereinander – millimetergenaue Arbeit – präzise abgestimmt auf den Safe, in dem sie demnächst aufbewahrt werden. Der Aufwand lohnt sich jedenfalls – eine außergewöhnliche Handarbeit.
Wir sind inzwischen im zweiten Raum gelandet – hier steht der Topf auf einem Elektrokocher, in dem der Knochenleim erwärmt wird. Natürliche Materialien sind dem Etuimacher wichtig – nur in Ausnahmefällen greift er zur Chemie. Im Lager stapeln sich Rollen mit buntem Leder, besonderem Einbandpapier und natürlich Leinen, wie es Buchbinder ebenfalls verwenden.
Ich schaue zu, wie zwei Holzkästchen zu einer Schachtel verbunden werden. Dazu wird eine mechanische Stanze genutzt, die schon seit den Fünfzigerjahren zuverlässig ihren Dienst versieht. Ein Scharnierband mit unzähligen Einzelscharnieren dreht sich Stück für Stück und mit jedem Tritt auf den Fußhebel der Maschine wird ein Scharnier präzise im Holz platziert. Toll. Viel schöner als Massenproduktion – denke ich und lasse mir erklären, wie anschließend die Schachtel mit unterschiedlichen Materialien bezogen und auf Wunsch verziert wird.
Auf dem großen Arbeitstisch stapeln sich einige Etuis mit dem Wappen des Landes Niederösterreich. Sowohl die Landesregierung dort als auch jene aus Wien setzen auf adäquate Behältnisse, in denen Orden an besondere Menschen überreicht werden.
Auf blauem Grund prangt golden das Landeswappen. Im Nebenzimmer stehen weitere Maschinen, die seit Jahrzehnten ihren Dienst versehen und mit deren Hilfe Logos und Schriftzüge oder eben Wappen in die Oberfläche geprägt werden können. Wow – ich bin begeistert.
Warum gibt es eigentlich nicht mehr Erzeuger von Etuis und Kassetten wie die Firma Fialka interessiert mich. „Der Beruf des Etui- und Kassettenerzeugers wurde bereits in den 90iger Jahren aufgelassen“ erzählt mir Herr Fialka und ergänzt, dass heute viele Orden in Fernost billig erzeugt werden und von dort gleich mit Etui geliefert werden. Die Nachfrage ist gesunken – auch bei Fialka arbeiteten früher deutlich mehr Mitarbeiter – die Auftragsbücher waren voll.
„Man muß flexibel sein heute“ – meint er und setzt heute auf individuelle Sonderanfertigungen, bei denen die Kunden die Handarbeit schätzen und Sammler von Münzen oder Uhren gern auf ihn zukommen, um ihre Schätze wohl verwahrt zu wissen.
Ich verabschiede mich und verlasse die Werkstatt mit dem Gedanken – die Qualität der Etuis von Fialka ist auf jeden Fall einen Spaziergang in die Schottenfeldgasse wert.